Road to Jahn 2015-16
8 Runden und 7 Auslosungen – aus 180 mach 1!
Ein Projekt, das es noch nicht gab; ein fantastisches – manche sagen sogar: ein hyperfantastisches Projekt!
Die Regel ist einfach – never change a winning team.
Der Rahmenspielplan diktiert mir meine Urlaubsplanung, der Vorrundensieger die Folgepaarung, Fortuna den Gegner.
Und so geht es Runde für Runde. Nur eins steht fest – das Ziel; der Friedrich-Ludwig-Jahnsportpark. Am 28. Mai 2016.
Berliner SV 1892 – SV Karow 1996 4-1
Sonntag, 16.08.2015 | Stadion Wilmersdorf 4 KR2 | Schmargendorf | Qualifikationsrunde | 40 Zs.
Die Qual der Wahl hatte ich in der Qual(i)-Runde; mit welcher Mannschaft starte ich? Nicht das Los, sondern die Ansetzungsstätte entschied. Für den Berliner SV 1892.
Stadion Wilmersdorf und der BSV 92. Das klingt nach Schwarz-Weiß-Fußball vor tausenden Zuschauern in der Stadtliga Berlin. Kunstrasenplatz Stadion Wilmersdorf und der BSV 92. Das ist Farb-Fußball vor 40 Zuschauern im Berlinpokal.
Der Sommer und der Winter – und manchmal halt auch der Frühling und der Herbst – sind zum Rasenschonen. Die Verlegung auf den Nebenplatz akzeptierte ich zähneknirschend.
Bei 30 Grad im Schatten schien ein Ersatzspieler des BSV 92 in der Kabine die Niete gezogen zu haben und lief als Storch verkleidet zum Anstoßkreis. Dies war allerdings kein Griff in die psychologische Trickkiste um den Gegner aus dem Nordosten Berlins ob der Hässlichkeit – der Storch glich eher einer Vogelscheuche – zu verunsichern. Es war ein Fingerzeig auf die eigene Geschichte.
Der BSV 92: Das war vor den Westberliner Jahren Gauligameisterschaften und Nationalspieler. Und wegen der roten Stutzen die Herausbildung eines Spitznamens: Die Störche.
Verunsichert war der Favorit aus Karow aber wohl trotzdem. Schon nach drei Minuten lag sie mit 0 zu 2 im Hintertreffen. Trotz klarster Chancen zum dritten Tor fällt noch vor der Pause das 1 zu 2. Aber Spannung kam deshalb in Hälfte Zwei nicht auf. Statt dem Bezirksligisten kamen immer wieder die Störche brandgefährlich zum Abschluss. Nicht angetan von der Leistung der Karower Elf waren die Fans und Offiziellen – einer von ihnen stach besonders durch seine Schiedsrichtersprüche heraus. Typus Bauunternehmer und Vereinsvorstand: Ende 50, Polohemd, Hose und Schuhe von NewYorker, Wohlstandsbauch, Sonnenbrille mit Goldgestell und eine Zeitung unterm Arm: „Dit war ne Ecke du Jurke!“ – Berlin ick liebe dir! Mit dem hochverdienten 3 zu 1 für den Kreisligisten waren alle Messen gelesen. Blieb nur noch die Gala-Show des Sven Harry Haase. Einwechslung in der 80. Minute, Elfmeter-Tor in der 83. Minute und rote Karte in der 86. Minute.
In der nächsten Runde also mit dem BSV 92, aber ohne Sven Harry Haase.
Berliner SV 1892 – FC Spandau 06 2-3
Sonntag, 06.09.2015 | Stadion Wilmersdorf 4 KR2 | Schmargendorf | 1. Runde | 40 Zs.
Und täglich grüßt der Kunstrasen! Zwar war die sommerliche Rasenplatzsperre mittlerweile aufgehoben, aber das Bezirksamt beorderte die SF Charlottenburg-Wilmersdorf für ihr Pokalspiel ins Stadion. Ich befand mich also wieder dort ein, wo ich drei Wochen zuvor bereits stand.
Diesmal liefen die Mannschaften allerdings ohne Maskottchen auf; möglicherweise machte der letztmalige Unglücksrabe im Storchenkostüm Gründe der Würde geltend oder aber die BSV-Oberen hatten etwas vom Projekt „Road to Jahn“ erfahren und ich sollte ab sofort ihr Maskottchen sein!?
Wie schon in der Qualifikationsrunde legte der Kreisligist BSV 92 los wie die Berufsfeuerwehr, die Zielgenauigkeit entsprach aber eher der freiwilligen Feuerwehr nach einem Dorffest. Vielleicht lag es ja am Wetter: Vor 21 Tagen beglückte uns Petrus noch mit wolkenfreiem Himmel und 30 Grad – heute war’s bedeckt und 15 Grad kalt. Und kaum öffnete der Himmel seine Schleusen gelang den Gästen das 1 und 2 zu 0.
Und es lief weiter hervorragend für die 06er. Sie kombinierten nach Belieben, vergaßen aber den krönenden Abschluss. Den bot zum Ende der ersten Halbzeit dann nicht nur die durchbrechende Sonne, sondern auch die Schönwetterfußballer des BSV 92. Aus dem Nichts erzielten sie das 1 zu 2.
Die zweite Hälfte dominierten die Sonne und der BSV 92. In der 69. Minute fiel das mittlerweile überfällige 2 zu 2 und in der Folge erarbeiteten sich die Störche Chance über Chance. Spandaus erster Torschuss nach dem Pausentee ließ bis zur 75. Minute auf sich warten. Der Bezirksligist war klinisch tot.
Aber: Totgesagte leben länger. 90. Spielminute, Freistoß aus dem Halbfeld für die Randberliner. Alle Spieler sind hoch konzentriert, die Verlängerung ist für den BSV 92 nur noch einen Angriff entfernt. Die Flanke kommt, Spandauer und Wilmersdorfer Köpfe steigen empor, ein Spandauer erwischt den Ball, aber weit vorbei. Durchatmen. Kurzer Abstoß, die Weiterleitung aus der Abwehr ins Mittelfeld misslingt, Steilpass, 1-gegen-1-Duell, 2 zu 3, Abpfiff.
Dabei war der Himmel mittlerweile so blau, wie gegen den SV Karow in der Runde zuvor. Blauer wie er für den BSV 92 nicht hätte sein können.
FC Spandau 06 – Sportfreunde Charlottenburg-Wilmersdorf 4-2
Sonntag, 11.10.2015 | Ziegelhof | Spandau | 2. Runde | 95 Zs.
Der Fußball schreibt bekanntlich die besten Geschichten. Kaum war ich dem BSV 92 und dem Kunstrasenplatz des Stadions Wilmersdorf entkommen, drohte mir über den heutigen Gegner, dem Kreisligisten Sportfreunde Charlottenburg-Wilmersdorf, die Rückkehr an die gleiche Spielstätte. Davor standen ab 10.45 Uhr aber 90 Minuten Pokalkampf, deren erste 45 Minuten schnell erzählt sind: 1 zu 0, 1 zu 1, Halbzeitpfiff.
Da bot die Halbzeitpause schon mehr Unterhaltung – und dass nicht aufgrund einer Verlosung von Kostbarkeiten wie zum Beispiel dem Bernsteinzimmer oder aber der Präsentation eines lebendigen Einhorns. Als sich die Pause dem Ende neigte und die Spieler langsam wieder auf den Platz trabten, wurden sie informiert, doch bitte wieder in der Kabine Platz zu nehmen. Neben zwei Mannschaften bedarf ein Spiel eines Balls und Schiedsrichters. Und Letztgenannter war nicht mehr in der Lage aufs Feld zurückzukehren. Und kaum war klar, dass der Schiedsrichter der Spielverderber war, setzten sich Gerüch(t)e frei. Diese reichten von Durchfall bis zu Kreislaufproblemen. Und Durchfall hätte ich gar nicht mal für unmöglich gehalten – die im Kiosk servierte Currywurst samt Zwiebeln hatte es schon in sich. Und dass der Unparteiische vor dem Spiel bereits ein Katerfrühstück benötigte – nichts war hier jetzt noch unmöglich.
Die Verlängerung der Pause kam dem Kiosk aber auf jeden Fall zu Gute; der Rubel rollte, das Bier schäumte. Das dürfte der Nachmittagsplanung einiger Familien aber einen gehörigen Strich durch die Rechnung gemacht haben, denn die Väter shoppten am Kiosk nun bereits ganz ordentlich…
Zehn Minuten später war klar: es ging für den Pfeifenmann nicht weiter und zwanzig Minuten später war auch endlich ein Ersatzschiedsrichter gefunden; die Begegnung konnte fortgesetzt werden. Aus der Neutralisierung wurde ein Spandauer Übergewicht sowie die Führung. Und als kurz darauf Mahmoud Akkaoui aus über 30 Metern per Bogenlampe einfach mal anvisierte, konnte sich der Wilmersdorfer Keeper noch so strecken wie er wollte, es reichte nicht. Unter dem Beifall der 95 zahlenden Zuschauer mischte sich nun vom rechten Spielfeldrand ein stark alkoholisiertes Gegröle. Und wenige Minuten später tauchten die Chorknaben auf. Zwar trieb ihnen der Treffer zum 2 zu 3 kurzzeitig Zornesröte ins Gesicht, aber viel Zeit für Spannung blieb bis zum finalen vierten Treffer der Gastgeber nicht.
„Komm, noch ein Bier?!“ krakeelte der eine zum Anderen. Und objektive Gründe für eine Ja-Antwort waren neben dem Heimsieg zu Hauf zu finden: der Nachhauseweg, die Sonnenstrahlen oder der zum tausensten Mal einsetzende Herbst.
Der Fragende war nicht der Tragende. Wobei selbst der Tragende schon ordentliche Mühe mit Gestik, Mimik und Motorik hatte. Das war alles aber noch harmonisch im Vergleich zu seinem Kompagnon, der nicht nur angescheppert, sondern schon ziemlich zerscheppert war.
Das war für die beiden kein Grund für ein „Nein“ – in Spandau geben alle alles. Und manchmal sogar noch ein bisschen mehr.
FC Spandau 06 – SFC Stern 1900 4-1
Sonntag, 15.11.2015 | Ziegelhof | Spandau | 3. Runde | 60 Zs.
Daumen wurden am 16.10., Punkt 18 Uhr gedrückt und was schlussendlich blieb war leider nur gedrückte Stimmung. Fortuna – statt einer knapp bekleideten Aphrodite, stelle ich mir bei den BFV-Auslosungen eher betagte und Zigarre rauchende Verbandsfunktionäre in karierten Hemden und Pullunder vor – gönnte mir wieder um halb Zehn in der Früh die Weltreise nach Spandau zu 06. Aber gut, das Schicksal wäre nicht das Schicksal wenn es nicht das Schicksal wäre. Und so unspektakulär war das letzte Pokalmatch ja nun auch nicht. Gute Miene zum bösen Spiel.
Der Lauf der Zeit; die Bäume waren mittlerweile kahl, dafür wurde der Rasen mit einem Laubteppich bedeckt und leichte Kleidung musste gegen Gefüttertes getauscht werden. Und als Bonbon hielt Petrus noch Regen parat. Schirme wurden verzweifelt gegen den Wind gestemmt. Die Trockenheit hielt aber nur bis zur nächsten Windrichtungsänderung. Ein Wetter für Fußballliebhaber. Und der Zweiklassenunterschied offerierte mir eine gute Möglichkeit dem Spandauer Gefängnis zu entkommen.
Die in schwarz spielenden Gefängniswärter von 06 ließen aber schnell erkennen, dass sie einiges dagegen hatten. Mit viel Leidenschaft und Einsatz egalisierten sie die Favoriten aus der Berlinliga. Damit nicht genug, einen Freistoß nutzte in der 21. Minute Sebastian May zur Führung, die der Bogenlampenspezialist Mahmoud Akkaoui noch ausbauen konnte. Kurz vorm Pausentee flog dann noch ein Stern-Spieler nach einer Tätlichkeit vom Platz. Nachdem der Stern-Trainer dies Richtung Schiedsrichter mit: „Soll das dein Ernst sein, verlierst du jetzt völlig den Überblick?“ kommentierte, durfte er auch hinter die Absperrung. Mit dem nun vorhandenen besseren Überblick sah er in Hälfte zwei noch zwei Kontertore für 06 sowie den (zu) späten Anschlusstreffer seiner Equipe.
4 zu 1: So war ich bis zum Schlusspfiff nur am Rechnen, denn Fußballspiele bedeuten Serien; irgendwo ist immer eine versteckt. Und Serien bedeuten Sicherheit, das wohlige Gefühl zu wissen was passiert. Denn mit einer Serie in der Hinterhand kann das Schicksal nicht das Schicksal sein, wenn es das Schicksal ist. Es fehlte entweder ein zweites Gegentor, das 06 bisher in allen zwei (!) Spielen kassiert hatte oder aber es musste ein fünftes Tor her; denn im ersten Spiel gab’s drei und im zweiten vier Tore für die Spandauer.
Am Ende blieb es beim 4 zu 1, fünf Tore in Summe. Die Serie war zumindest „angerissen“. Was mag das fürs nächste Spiel bedeuten? Ich befürchte nichts. Außer vielleicht, dass ich Spandau in der nächsten Runde mal auswärts zugelost bekomme…
BFC Dynamo – FC Spandau 06 5-0
Dienstag, 09.02.2016 | Jahnsportpark | Prenzlauer Berg | Achtelfinale | 250 Zs.
Es gibt gute Lose, es gibt schlechte Lose und es gibt den Griff in die Tonne. Und so einen Griff erwischte ich wohl am 22. Januar. Ich stelle es mir in etwa so vor: 14 Loskugeln wurden aus der Trommel gezogen; die Losfee im Bikini inklusive. Die letzten beiden Lose lagen allerdings rechts davon, in der Mülltonne und die Losfee war plötzlich ziemlich stiernackig…
BFC Dynamo vs. Spandau, die Paarung war eine Farce; die Oberliga, Verbandsliga und Landesliga lagen zwischen den Vereinen, einen größeren Ligen-Unterschied bot keine andere Begegnung. Und somit war klar, ich war gefangen in der Einbahnstraße BFC Dynamo; einer Einbahnstraße ohne Wendemöglichkeit.
Und so durfte ich bereits am 9. Februar den Endspielort betreten und es sprach alles dagegen, dass ich nochmal woanders hin durfte. Wenn wenigstens ein Nebenplatz herausgesprungen wäre, aber nein, die großen Flutlichtmasten erhellten die dunkle Winternacht und ermöglichten den wenigen Zuschauern eine kinderleichte Orientierung. Wenn hyperfantastisch.de die Marketingmaschinerie anschmeißen würde, würde hier jetzt stehen: „Flutlichtspiele haben ihren eigenen Reiz“ oder „Pokalspiele haben ihre eigenen Gesetze“, aber ich lasse lieber die nackten Tatsachen bzw. das nackte Stadion sprechen: 5 zu 0 in einem zu 1,27% gefüllten Rund.
Wobei geschrieben werden muss: Das 5 zu 0 klingt fast nach Friede-Freude-Eierkuchen. Das war es aber bei weitem nicht. Zwar waren die Profis drückend überlegen, aber die Spielintelligenz der Weinroten endete meist schon mit der Ballannahme. Spielzüge waren rar, zum Glück bot der Kiosk Alkoholfutter; die Öde der Begegnung wich der Freude des Pegels.
Alkohol bedeutet Emotionen, bedeutet Sentimentalität: „Für mich wird der BFC Dynamo immer der FC Berlin bleiben!“ Nur mit solchen Gesprächen waren die 90 Minuten zu ertragen; die Angst vor den noch kommenden 180 Minuten Einbahnstraße konnte aber nicht besiegt werden. Einen Blick nach rechts und einen Blick nach links später war ich mir aber sicher: die 248 Losfeen um mich herum quittierten meine Angst nur mit einem spöttischen Lächeln.
SC Staaken – BFC Dynamo 4-1 n.E.
Mittwoch, 09.03.2016 | Sportpark Staaken | Staaken | Viertelfinale | 570 Zs.
Experten, überall Experten. „Jetzt müssen wir uns nur auf die hässlichen Menschen konzentrieren.“ Ganz Unrecht hatte der Polizist mit dieser Bemerkung zu seinem Kameraden sicherlich nicht, als sie auf der Eisenbahnbrücke standen und die gerade eingetroffenen Zugpassiere auf mögliche BFC-Sympathisanten filterten. Von den Hässlichen gab’s in diesem Zug aber nicht viele; der Großteil der Weinroten war zu diesem Zeitpunkt bereits im Sportpark Staaken.
Für die Ostberliner eine seltene Gelegenheit mal ihre Stadt kennenzulernen. Seit der Saison 2008/09 bestritt der BFC inklusive Finale im Jahn-Sportpark 48 Landespokalspiele. Davon wurden 40 Begegnungen daheim absolviert. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der BFC oft mit der Fortuna Mielke im Bunde war. Eher war der BFC beglückt vom Sicherheitswahn. Die Marzahner als Gast sind nicht anspruchslos: Separater Eingang, eigene Verpflegung und auch der grüne Sicherheitsapparat will seine Wannen parken, eine Wurst essen, Cola trinken und bezahlte Gespräche mit Kameraden führen.
Staaken wollte sich seine (Heim-)Chance nicht nehmen lassen und erfüllte dem Gast, Verband und Innenministerium seine Ansprüche. Die Chance besteht im Geläuf; auf Kunstrasen trainiert der Regionalligist vielleicht im Winter hin und wieder, Wettkampferfahrung ist aber eine Mangelerfahrung – im Gegensatz zum Berlinligisten. Für den Experten der ostdeutschen Fußballlandschaft von turus.net, Marco B., war die Platzwahl schon zwei Runden zuvor vernachlässigungswürdig: „Als ob das für den BFC jetzt die große Mandoline gespielt hat, in Charlottenburg oder im Sportforum zu spielen.“
Dass es für den BFC doch die große Mandoline spielt, sahen die Zuschauer heute. Optisch zwar überlegen, aber zwingend wie ein Kaufentscheider nach dem Studium von Bewertungsseiten im Internet, passte sich der BFC in die Langeweile. „Attacke, Attacke, Staaken ist Kacke“ skandierten zwar die 300 Gästeanhänger, ändern tat es nichts, im Gegenteil, nach der Pause vergab ein Staakener Stürmer sogar freistehend vor dem BFC-Torhüter. Und so hätte sogar M. Bertram konstatieren müssen: Es macht doch einen Unterschied, ob ich die Enge eines Kunstrasens oder die Weite eines Rasenplatzes nutzen muss, um eine Chance als Underdog zu haben.
0 zu 0, 83 Minuten gespielt, Temperatur um den Gefrierpunkt – gefühlt im sibirischen Minusbereich – und die komfortable Zugverbindung startet in fünf Minuten. Abmarsch, denn der BFC wird’s schon schaukeln, Elfmeter- oder Eigentor inklusive. Schließlich schrieben meine Expertenhände bereits vor wenigen Wochen: „Ich war gefangen in der Einbahnstraße BFC Dynamo, eine Einbahnstraße ohne Wendemöglichkeit.“ Was kam war der SC Staaken mit einem LKW voller Napalm, 100 Km/h auf dem Tacho, Handbremse und Lenkradreißen in der Einbahnstraße: Feuer, Schreie ein ebener Straßenzug; 4 zu 1 nach Elfmeterschießen. Staaker Auftritt.
BFC Preußen – SC Staaken 3-2 n.V.
Montag, 28.03.2016 | Preußenstadion | Lankwitz | Halbfinale | 971 Zs.
Nächstes Spiel, nächster Sportplatz! Ja, so war „The Road To Jahn“ eigentlich konzipiert – die Siegermannschaft der Vorrunde muss immer wieder auswärts ran und ich geh auf Reisen durch die Hauptstadt. Ein, zwei neue Grounds hatte ich mir dabei eigentlich schon erhofft; am Ende waren es null. Aber manchmal müssen individuelle Wünsche dem Großen und Ganzen untergeordnet werden und das lautet: „The Road To Jahn“.
Das selbst das Große und Ganze auch wackligen Beinen stand, bemerkte ich beim Luschern ins Programmheft. Auf der letzten Seite war an diesem Ostermontag ein faules Ei versteckt: Der BFV erwog aufgrund des zu erwartenden geringen Zuschauerzuspruchs im Finale einen Umzug ins Amateurstadion. Puh, das saß, durchatmen, bis drei zählen und auf die alten Traversen des Preußenstadions setzen. Der BFV wird wohl nie wieder den BFC Dynamo als Gast antreten lassen, so viel steht fest. Aber was interessierte mich die Zukunft, „The Road To Jahn“ war in Gefahr, das Projekt konnte doch nicht unbenannt werden! „The Road To Wurfplatz“ – selten dämlich; das hyperfantastischste Projekt der Fußballnachkriegsgeschichte darf nicht am Verbandsegoismus scheitern!
Vor dem Krieg – 1938 um genau zu sein – wurde der heutige Schauplatz erschaffen: das Preußenstadion. Und noch weiter zurück sind die größten Erfolge der Adlerträger angesiedelt. Übrig ist davon, außer der Spielberechtigung in der Berlin-Liga, nicht viel. Das Stadion und die Schwarz-Weiß-Erfolge warfen Schatten, die die Gegenwart auffraßen.
Schon den zweiten ansehnlichen Angriff des Spiels schloss der SCS mit dem 1 zu 0 ab. Die mindestens 200 mitgereisten Blau-Weißen lagen sich siegessicher in den Armen, so viel Freude war mir dann jetzt doch zu viel. Seitenwechsel. Preußen-Gerade, Preußen-Casino und die „Alte Garde“, immerhin mit Preußen-Wappen. Ein Rudel von ungefähr 20 Modulkanten mit Sonnenbrille und Glatze oder Pomade. Marzahner Verhältnisse im Berliner Süden, BFC ist BFC egal ob Dynamo oder Preußen. Kaum in der langen Warteschlange am Verpflegungsstand die letzte Position übernommen, schon ertönte ein „Bambule, Randale, Rechtsradikale“. Ganz klar, hier war das AFD-Parteiprogramm noch bolschewistisches Gedankengut.
Die Eltern der „Alten Garde“ bedienten scheinbar am Grill- und Getränkestand, die alte „Alte Garde“ sozusagen. Mit einer Arschruhe, die nur Kleinkinder und Rentner weghaben, erfolgte die Bedienung unabhängig von der wartenden Masse. Und die war größer als die auf den Traversen. Zeit immerhin um eine Oberflächenstudie der schwarz gekleideten Herren vorzunehmen. Jeder trug irgendwo irgendetwas der alten Dame, im Hauptberuf waren sie also Herthaner, der BFC war nur ein Hobby.
In der zweiten Halbzeit ging es nur noch aufs Gästetor, schnell belohnt mit dem 1 zu 1. Aber noch schneller bestraft mit dem 1 zu 2. Und so blieb es auch bis zur 90. Minute, ja sogar bis zur 94. Minute. Und als schon 200 Zuschauer jubelnd bereitstanden und 700 angesäuert das Rund verlassen wollten, verlängerte eine äußerst unglücklich positioniertes Schienbein eine harmlose Flanke und das Spiel. Verlängerung, mal wieder ohne mich, Serien sollen nicht gebrochen werden, fürs Finale gelobe ich aber Besserung.
Lichtenberg vs BFC Preußen lautet das Finale und der Verband hat sich doch noch für ein leeres Jahn-Stadion entschieden, das Projekt kann ordnungsgemäß beendet werden und die Alte Garde steht nur noch ein Spiel vor dem Endsieg.
SV Lichtenberg 47 – BFC Preußen – 0-1
Samstag, 28.05.2016 | Jahnsportpark | Prenzlauer Berg | Finale | 3874 Zs.
Endstation Jahnsportpark; der Berliner Pokal 2015/16 und somit das Projekt „Road to Jahn“ neigten sich dem Ende zu; was fehlt war die Krönung in der Kathedrale des Berliner Fußballs auf dem Brauerei-gesponserten Thron. Von 180 gestarteten Mannschaften blieben zwei Teams übrig, zwei Teams mit nicht den besten Buchmacherquoten, dafür mit großer lokaler Wertigkeit.
Oberliga gegen Berlin-Liga, 1947 gegen 1894, rot-weiß gegen schwarz-weiß, Lichtenberg gegen Lankwitz, Ost gegen West. An diesem Samstag traf alle Gegensätzlichkeit aufeinander, die ein Duell zum Duell macht; ohne Gemeinsamkeiten war ein schonungsloser Kampf garantiert. Diesen wollten immerhin 3.873 Zuschauer und ich sehen und dass obwohl das Wetter eher zum Plantschen im See einlud und wenn schon nicht See, dann wenigstens im aufblasbaren Pool auf dem Balkon und die Live-Übertragung der ARD im Fernseher auf dem Hocker davor. Richtig gelesen, die ARD übertrug dieses und noch andere Landespokalfinale in einer großen Konferenz. Die joviale Zielsetzung war es, den Amateurfußball zu stärken. Resultat war er Eventisierung und Konsumierung des Sports auf unterer Ebene fortzusetzen. – raus aus dem Stadion, rauf aufs Sofa.
Auf dem Platz spielten die Adlerträger unbekümmert nach vorne, das 0 zu 0 konnte nicht nur gehalten, sondern verbessert werden – auf 1 zu 0. Die Lichtenberger wollten und konnten nicht, die Spannung blieb wie Stimmung eher mau, am Ende konnten aber wenigstens die Lankwitzer „Mau-Mau“ sagen und den Pokal gen Himmel strecken. Ein eher trister Abschluss einer langen Pokalreise. Und wie es immer so ist am Ende, zum Schluss rollen die Tränen, speisen die Emotionen einen positivgestimmten Abgesang auf eine lange Pokalsaison.
Aber nicht hier, nicht jetzt und schon gar nicht mit mir. Road to Jahn muss enden wie es begann mit Schnaps und einer Idee und von daher präsentiere ich nach sieben K.O.-Runden und einem Finale das durchschnittliche Pokalspiel der Saison 2015/16:
Das Spiel fand am Freitag den 15. Juni bei 15 Grad statt. Es endete mit einem 3:1 vor 738 Zuschauern und 1,125 unterschiedliche Mannschaften standen sich hierbei gegenüber.
Durchschnittsberechnungen machen eben nicht immer Sinn, aber wer weiß in dieser verrückten Welt schon, was richtig und was falsch ist?!