Hyperfantastische Berliner Fußballgeschichten
SF Johannisthal – Berliner SC 4-1
Freitag, 06.06.2014 | Segelfliegerdamm | Johannisthal | 6. Liga | 50 -70 Zs.
Jothal, was zum Henker ist Jothal? Spät, aber immerhin am Ende doch, machte es klick bei mir: Jothal, das ist wie „L.E.“, wie „Stuggi-Town“ oder, um auf der Berliner Ebene der Ortsteile zu bleiben, wie „White Lake City“, eine Namenskreation mit Gänsehaut-Garantie, mit hervorgerufenem Ekel vor der Grenzenlosigkeit von Sprachen. Wer zum Henker denkt sich sowas aus und wer zum Henker-Henker multipliziert das? Einen der Multiplikatoren hielt ich bereits in meinen Händen – das Programmheft „drei:null“. Dort wurden meine Erwartungen an diesen sommerlichen Freitagabend angeheizt: „Obwohl es nicht gelang einen Heimsieg einzufahren, standet ihr immer wie eine Wand hinter dem Team. Vorneweg unsere Ultras, die von der ersten bis zur letzten Minute für Stimmung auf den Rängen sorgten. Leider verliert die Liga eine Mannschaft, wo die meiste Stimmung bei Heimspielen war. Das es so war, haben wir unserem singenden Stadionsprecher Ronny zu verdanken.“.
Dazu warb die grüngetränkte Web-Groundhopping-Fibel förmlich um einen Besuch des Areals: „…aber der Sportplatz am Segelfliegerdamm, […], hat wirklich beste Chancen, der deutschlandweit schlechteste Spielort seiner Ligatiefe zu sein.“. Soweit würde ich nun nicht gehen; ein paar Bänke und zwei kleine provisorische Tribünen sind mehr als Nichts und mehr als Nichts kann nicht schlecht sein. Aber gut, wer weiß in dieser verrückten Welt schon, was richtig und was falsch ist?! Bevor ich mich nun weiter in geistiger Leere verlaufen konnte holte mich Ronny Rothé in die Wirklichkeit meines Feierabends.
Ronny Rothé, schon diese namentliche Symbiose aus Marzahn und Provence sprengte die kulturelle Monotonie des Berliner Südostrands. Wo früher zivile und militante Propellermaschinen auf einem der ältesten Flugplätze Deutschlands starteten, dort bestimmte nun die aus Lautsprechern verstärkte Stimme des singenden Stadionsprechers die Umgebung: „Die Spieler wollen alles geben, drum stimmt mit mir jetzt ein: Johannisthal, Johannisthal, du bist unser Verein, und so soll es immer sein!“.
Sechszehn Mal ertönte die Hymne der Grün-Weißen nun schon auf dem heimischen Platz in der Berlin-Liga, sechszehn Mal verließen die Kleeblätter ohne Sieg das künstliche Geläuf. Und auch heute sah es nicht besser aus; 0 zu 1 zur Pause. Die „Ultras“ ölten zwar kompromisslos ihre Stimmen, konnten die Erwartungen, die das Programmheft geweckt hatte, bis dato aber nicht im Mindesten erfüllen. Es sei schlichtweg eine lange Saison gewesen, so ließen sie einen Fragenden wissen. Währenddessen schmetterte Ronny voller Inbrunst einen Klassiker nach dem anderen, fünfzehn Minuten Power-Schlagering, die Zuschauer bedankten sich mit einem Klatschgewitter. Die elf Johannisthaler schienen sich solch einen Beifall auch zu ersehnen, kehrten wie ausgewechselt zurück und droschen vier Mal den Ball in die Maschen. Nun schaukelte es sich hoch, die Ultras vergaßen die Qualen der 32 bisherigen Spiele und stimmten mit Mannschaft und Ronny ein: „Johannisthal, Johannisthal, du bist unser Verein, und so soll es immer sein!“ – noch Wochen später musste ich diese Melodie summen.