Hyperfantastische Berliner Fußballgeschichten
Cimbria Trabzonspor – SVM Gosen 3-1
Mittwoch, 20.08.2014 | Jubiläumssportplatz Platz 1 | Neukölln | Pokal | 10 Zs.
Den Wunsch des Schiedsrichters, nach einem fairen Spiel, habe ich schon oft vernommen. Die Intensität mit dieser heute allerdings vorgetragen wurde, war außergewöhnlich. Er hatte anscheinend gesonderte Anweisungen vom Verband erhalten und beschwichtigte schon vor dem Anpfiff beide Mannschaften eindringlich. Immerhin trat Cimbria Trabzonspor an; am Tag zuvor musste das Spiel ihrer Ü40 gegen Lankwitz abgebrochen werden – ein Spieler hatte scheinbar die Sportarten verwechselt und boxte seinen Gegenspieler um.
Je oller, desto doller – und wenn dann auch noch Temperament hinzukommt, scheinen Stadionverbote für Aktive (Spieler, nicht Fans) nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Zwar versuchte der Cimbria-Präsident im „Tagesspiegel“ zu beschwichtigen – es sei eine undramatische, private Fehde gewesen und blaue Flecken beziehungsweise Blut waren Fehlanzeige – aber der Verband war nun gewarnt. So ließ es sich Tamer Bekis auch nicht nehmen und flankierte den Spielfeldrand beim heutigen Pokalspiel der Ersten. Wer weiß, was er heute noch zu rechtfertigen hatte.
Erstmal gab es aber dreifachen Jubel. Und das nicht aufgrund der Tiefpreis-Garantie im himmelhohen Sconto-Möbeldiscounter gegenüber, die Exil-Schwarzmeerauswahl führten nach zwanzig Minuten bereits schier uneinholbar. Falls dies von den wenigen Schaulustigen bejubelt oder beklatscht wurde, verschlangen dies die Motorengeräusche des nahegelegen Autobahndreieck Neukölln. Diese charmante Lage des Jubiläumssportplatzes dürfte jedoch nicht der Bewegrund für das Kommen der ersten weiblichen Zuschauerin gewesen sein. Schnell zeigte sich ihr Motiv; gab sich einer der Gästeersatzspieler als Besatzer zu erkennen. Neben dem deprimierenden Rückstand musste er noch seine Reservistenrolle erklären. Das hatte sich die Auserwählte bei einer Anfahrt von knapp 20 Kilometer sicherlich anders vorgestellt. Und viele Möglichkeiten, ihr in der Folge ein Schlafzimmerlächeln zu entzaubern, hatte er auch nicht. Später, nachdem er mit stolzer Brust und mit übereifrigen Bewegungen den Platz betrat – die für ihn ausgewechselte Sturm-Diva war indes mit dieser Trainer-Entscheidung gar nicht einverstanden, brüllte den Lehrmeister ein „Warum?!“ entgegen, polterte für alle gut hörbar in die Kantine, ein Wunder dass die Tür in den Angeln blieb und verließ wutschnaubend und ohne Verabschiedung den Ort des Geschehens –, konnte er zwar einmal eine Chance verbuchen, vergeigte diese aber stümperhaft.
Redebedürftig präsentierte sich der Schiedsrichter auch während des Spiels und dann so langsam, langsam aber sicher, so sicher wie das Amen in der Kirche, erkannte ich ihn akustisch. Seiner prägnanten Stimme lauschte ich schon bei der rbb-Dokumentation „Der 23. Mann – Das harte Leben der Amateurschiedsrichter“. Wahrhaftig rannte er nun vor mir hoch und runter, Thomas Sohr. Fehlte ja nur noch das Umbro-Maskottchen aus der damaligen DSF-Groundhopping-Reportage und es wäre ein Stelldichein der Unvergesslichen gewesen. Aber dafür fehlte hier wohl so eine „gigantische Absperrung“ zum Spielfeld.
Trotzdem waren viele am Ende glücklich: Ich über die Erscheinung meines Doku-Stars, das Mädel über die aktive Teilnahme ihres Stoßstürmers und der Cimbra-Präsident über den Verlauf des Spiels; über das Sportliche werden selten Stellungnahmen eingeholt.