Hyperfantastische Berliner Fußballgeschichten
Friedrichshagener SV 1912 – BFC Meteor 06 7-3
Samstag, 10.05.2014 | Am Wasserwerk Friedrichshagen | Friedrichshagen | 9. Liga | 40-50 Zs.
Puristisch mutete der Sportplatz „Am Wasserwerk“ in Friedrichshagen an. Das lag aber weder daran, dass über Nacht das Wasserwerk demontiert wurde, und auch ein längsseitiger Stufenausbau war vorhanden – es fehlten auf dem natürlichen Grün einfach jegliche Linien. Die Platzentscheidung erschien umso fraglicher, als dass doch die beide synthetischen Nebenplätze mit einem „Permanent Make Up“ versehen waren. Sei’s drum, die vier Adleraugen der Linienrichter ersetzen die Kreide und erhöhten zugleich das Spannungs- bzw. Unterhaltungspotenzial um den Faktor menschliche Fehlbarkeit.
Der Tabellenführer aus dem Wedding hatte eine ethnisch buntgemischte Truppe gegen die Randberliner Schmidt-Schulz-und-Meier-Truppe aufgestellt und lag schneller als ihr lieb sein konnte mit 0 zu 4 Toren im Hintertreffen. Wurde zu diesem Zeitpunkt die Kritik noch mit lautstarken Zuweisungen intern geäußert, änderte sich dies nach dem zwischenzeitlichen 2 zu 5. Mit einem vorrausgeschickten „Aaaaaaaaaaaabseits!“ sprintete der Weddinger Linksaußen, in einer während des Spiels nie gezeigten, nicht einmal angedeuteten Schnelligkeit, zum staksigen Linienrichter. Wie ein gallischer Hahn mit osmanischen Wurzeln plusterte er sich vor ihm auf und krähte: „Ey! Das war Abseits. Setz deine Brille mal richtig auf, man! Ey!“ Etwas verunsichert blickte sich der Angesprochene um, beharrte aber auf seine Entscheidung. Fauchend wie der Orientexpress trabte der Akteur zum Mittelkreis zurück, um sofort wieder kehrtzumachen, als er bemerkte, dass der Linienrichter nun seinen Chef zum Plausch einlud. Trotz seiner Bitte, doch einfach nur hören zu wollen, was der Assistent zu berichten hätte, beließ es der Pfeifenmann bei einer intimen Unterredung, um sich anschließend umzudrehen und dem Spieler die rote Karte zu präsentieren. Wie vom Glauben abgefallen, zersprang dessen Gesichtsfassade und verzogen sich seine Aggressionsfalten zu einer weichen und beschwörenden Mimik. „Super! Ich habe doch nur ‚super‘ zu ihm gesagt. Zeigen sie mir einen, der was anderes gesehen haben will.“
Vielleicht hatten andere in der Tat etwas anderes gesehen – gehört haben sie aber auf jeden Fall das Gleiche, weshalb auch völlig zu Recht der mehrstimmige, teutonische „So etwas haben wir hier noch nicht erlebt!“-Zuschauer-Kanon angestimmt wurde. Die Stimmung schaukelte sich nun hoch, Trainer und Ersatzspieler beleidigten sich gegenseitig und auch die klar im Abseits stehenden Auswärtsfahrer unterbrachen das Shisharauchen, um Vulgäres loszuwerden. Ein Heidenspektakel auch für Fromme.
Nach einer Weile wurde dann aber auch noch weitergespielt – hier ein Törchen, dort zwei Törchen – und so konnte am Ende nicht einmal mehr die Einwechslung der Nummer 11 auf Friedrichshagener Seite, den Heimsieg gefährden; hätten doch, um das Durchschnittsgewicht auf dem Platz aufrecht erhalten zu wollen, mindestens zwei Grün-Weiße den Platz verlassen müssen. Aber das wollte niemand und so blieb es beim 7 zu 3 sowie der Erkenntnis, dass der Videobeweis der Tod des Fußballs wäre.