Hyperfantastische Berliner Fußballgeschichten
SV Buchholz – SV Bau-Union Berlin 2-1
Samstag, 23.08.2014 | Chamissostr. | Pankow | 9. Liga | 60 Zs.
Zwei Mannschaften, zwei Trainer und ich mittendrin. Oder besser gesagt: dazwischen. Am neutralsten wollte ich heute sitzen – und am „bratigsten“, schließlich geizte die Sonne kaum mit Hitze. Und so blieb mir gar nichts anderes übrig, als in der Mitte der dreistufigen Gegengerade Platz zu nehmen.
Auf dem Weg dorthin bot sich das Vereinsheim zur Proviantaufstockung an. Durch die Luke orderte ich den Sportplatzklassiker – gefüllter Schweinedarm mit einem unbehandelten, feinporigen Weizenbrot an einer pikanten Senfbrühsauce – und durfte während der Zubereitungszeit dank des Gesprächs zwischen der Michelinsternanwärterin und einer heiseren Suffnase ungebeten erfahren, dass die Party im Vereinsheim bis gestern drei Uhr ging. Gut, die Informationsgeberin sah mehr nach einer maßlosen Schnapsfeier seit Überschreiten der Volljährigkeit Ende der 80er aus, aber ich wollte sie ja nicht heiraten, sondern nur um ihre dargebotenen Speisen erleichtern. Beladen mit einer Bocker, labrigem Toast und scharfen Senf erreichte ich meinen ausgekundschafteten Platz.
Rechts von mir, bisweilen aber auch links von mir beackerte der Buchholzer Trainer Peter Rohde wort- und gestenreich den Beton wie ein Epo-gestärkter Flügelstürmer. Das hatte schon etwas von Trapattoni, auch wenn dieser selten die Vorstadtstyle-Kombination Sonnenbrille und Jogginganzug wählte. Mit zunehmendem Alter bekam Trapattoni äußerlich immer mehr Ähnlichkeit mit dem US-Komiker Leslie Nielsen, und so verwunderte es nicht, dass der Trainer der Bau-Union Stefan Thier, wie eine 1zu1-Kopie des US-Komiker Steve Martin aussah. Und da sich dieser Bogen momentan mit ungeheurem Druck spannt, fahre ich lieber gleich im Text fort…
Peter Rohde dirigierte, navigierte und kommentierte in bestem Norddeutsch. Kein Wunder, erlernte er das Fußballer-ABC doch bei Empor Rostock, bevor er beim BFC Dynamo mit dem 1×1 weiter machte. 150 Oberligabegegnungen als Spieler und ein halbes Jahr auf der Trainerbank der Oberliga-Mannschaft standen am Ende zu Buche, wobei für jüngere Leser erwähnt werden sollte, dass die Oberliga in einem fernen Land einst erstklassig war. Kompetenzen schien der Mann also erlangt zu haben.
Kurz vor der Grenze zum Cholerischen – manchmal auch weit darüber hinweg – gab er Anweisungen und kritisierte. Den Spieler wurden mehr Fehler als Fähigkeiten entgegengeschrien; der Unparteiische bekam ständig sein Fett weg. Kurz vor dem Spielende reichte es dem Schiedsrichter dann auch und er verwies Peter Rohde in die Coaching-Zone. Zusätzlich verwarnte er ihn, dass, wenn er noch einmal das Wort „Blinder“ in seine Richtung rufen würde, er des Feldes komplett verwiesen würde. „Dann sollten Sie aber die Regeln besser beherrschen“, antworte das Rumpelstilzchen.
Ganz anders trat Stefan Thier auf. Ruhig und besonnen motivierte er seine Spieler, hob lautstark nur Positives hervor, auch wenn das Negative im Bau-Union Spiel überwog. An Slapstick fehlte es trotzdem nicht, wobei seine Steve-Martin-Ähnlichkeit dies noch verstärkte. Der Lichtenberger Verein ging am Krankenstock, punktlos, nur zu zwölft und zudem ohne Getränke reisten sie an. Dem nach sechzig Minuten durstig und qualvoll schauenden Neuner, konnte Thier nur mit entschuldigendem Blick signalisieren, dass sie außer seiner Halbliterflasche Wasser auf dem Trockenen saßen. Als sich sein Sturmtank kurze Zeit später verletzte, eilte Thiel sofort zum Sanitätskoffer um dem lädierten Knöchel Linderung zu ermöglichen. Beim Öffnen verriet sein mitleidiger Blick aber, das außer leeren Verpackungen nichts zu finden war. Zum Glück konnten aber wenigstens die Buchholzer mit dem Abgesang auf den hippokratischen Eid, mit dem Allheilmittel der Kurpfuscher und Quacksalber, dem Eisspray aushelfen.
Buchholz führte lange 2 zu 1 und verpasste es mehrfach den Sieg in trockene Tücher zu schießen. So kam es, wie es kommen musste: Die Bau-Unioner mobilisierten den letzten Funken Kraft aus ihren dehydrierten Körpern, drückten den Gegner in die Abwehr und bekamen die Mutter aller Chancen zum Ausgleich: Strammer Schuss, lautes Ballklatschen und von der Latte sprang der Ball zurück ins Feld in die nun fixe Niederlage. Knapp war es am Ende aber analog zu meinen Sympathien; „Die nackte Kanone“ fand ich schon immer einen Ticken besser als „Ein Ticket für Zwei“.