Hyperfantastische Berliner Fußballgeschichten
SG Blau-Weiß Friedrichshain – VfB Sperber Neukölln 6-0
Samstag, 09.08.2014 | Metro-Sportanlage | Friedrichshain | Pokal | 20 Zs.
Nur zwei Monate und fünf Tage waren vergangen, seitdem Viktoria und Tasmania Berlin den Berliner Landespokalwettbewerb 2013/14 beendet hatten. Seither galt das Motto „Sommer, Sonne, Sonnenschein“, welches aber schon arg durch das nahe Ende der schönsten Zeit des Jahres bedroht war. Ein ernsthafter Warnhinweis dafür war auch, dass das Spiel von vorne begann – mit der Qualifikationsrunde wurde die neue Pokalsaison eingeläutet. Und das Ziel aller Beteiligten war selbstverständlich klar: JEDER will ins Endspiel. Berlin! Berlin! Wir fahren nach Berlin!
Oben auf dem Dach der Metro, unweit des Ostbahnhofs, liefen die zweiundzwanzig Protagonisten zum Mittelkreis, winkten den überraschend zahlreich erschienenen Fans, den Groundhoppern und Vereinsoffiziellen auf der kleinen Stahlrohrtribüne zu und genossen den weiten Blick über den östlichen Teil der Hauptstadt. Fußballhimmel – gar nicht so weit hergeholt, die mehr oder weniger offizielle Bezeichnung des Kunstrasengeläufs… Vom Papier her war die Ausgangssituation eindeutig: Sperber Neukölln war als A-Kreisligist Favorit gegen den Neu-B-Kreisligisten Blau-Weiß Friedrichshain. Um für Nicht-Berliner die Verhältnisse deutlicher zu machen: Nehmen wir die 16er A-Kreisliga (mit dem Elftplatzierten Sperber) als Basis und setzen diese mit der 18er Bundesliga gleich – alles reine Mathematik und purer Dreisatz: 11 von 16 gegen X von 18 sind 11 mal 18 gegen 16 mal X macht 11 mal 18 durch 16 gleich X macht 12,375, also 12 – so vertrat sie den zwölftplatzierten Bundesligisten der Vorsaison: Werder Bremen. Nach dem gleichen Prinzip vertraten die Blau-Weißen als Dritter der C-Kreisliga, den Fünften der dritten Liga; den VfL Osnabrück.
Und so, oder so ähnlich ging Sperber auch ins Spiel; die beim Auflaufen verkündete Spieldevise lautete: Kräfte sparen. Die Heimmannschaft begann von Anfang an mit einem ruhigen Aufbauspiel um durch Ballbesitz den Gegner vom eigenen Kasten fern zu halten. Jedoch versagten dem ersten Kicker, der einen etwas öffnenden Pass spielen wollte, die Nerven und das Fünf-Meter-Zuspiel landete in den Beinen eines Neuköllners. Dieser suchte sein Heil sofort in der Offensive, dribbelte los, spielte ab, eine kleine Ballstafette entstand, die erst durch ein unklug platziertes Friedrichshainer Bein im Strafraum sowie einen Pfiff des Schiedsrichters unterbrochen wurde: Elfmeter. Die Sperberianer feixten nun laut auf. Jeder, selbst der Torwart, dürfte sich in diesem Moment schon ausgemalt haben wie viele Tore er erzielen würde.
Anlauf, Pfosten, Nachschuss, gehalten.
Dabei sah der heimische Torwart gar nicht so einsatzfähig aus. Seine chaotische Tolle wirkte eher, als sei er im Darkroom des nahen Berghains eingeschlummert und hätte diesen nach seinem zufälligen Aufwachen überstützt verlassen müssen, um pünktlich auf dem Metro-Dach zu sein. Mit zunehmender Spieldauer stabilisierte sich die Heimelf, kam zu ersten zaghaften Chancen und schlug kurz vor der Pause zweimal eiskalt zu. Trotz allem und noch immer siegesgewiss kamen die Gäste aus der Kabine, verloren aber spätestens mit der Dezimierung durch eine rote Karte den (hihi…) roten Faden. Das Debakel nahm seinen Lauf.
Einen Widerhall in der deutschen Presselandschaft fand diese Pokalsensation allerdings nicht. Bei einem Osnabrücker 6 zu 0 gegen Bremen wäre dies sicherlich anders gewesen.